Bauverzögerung der L 712n für Klimaverträglichkeitsprüfung nutzen
Am 26.10.22 übergab das Bündnis „Verkehrswende OWL“, dem auch die Parents for Future Bielefeld angehören, einen zweiten offenen Brief an den Oberbürgermeister Pit Clausen sowie an den NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer.
Kopien des Schreibens gingen an den Dezernenten Martin Adamski sowie den Leiter des Amts für Verkehr Olaf Lewald.
Der Brief wurde zudem an die Presse verschickt.
Hier der offene Brief im Wortlaut:
Bauverzögerung der L 712n für Klimaverträglichkeitsprüfung nutzen
Sehr geehrter Herr Minister Krischer,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
am 18. Januar hat ein breites Bündnis von 44 Organisationen und Vereinen einen Stopp von weiteren Straßenplanungen in der Stadt Bielefeld gefordert, die dem Klimaschutz und der Mobilitätswende widersprechen. Dass seitdem über einen Verzicht von Projekten wie dem Neubau der Herforder Straße nachgedacht wird, freut uns. Leider laufen die Bauvorbereitungen für die neue B 61n (Autobahnzubringer Ummeln) und die neue L 712n durch den Landesbetrieb Straßen NRW weiter.
Dies, obwohl sich die Klimakrise weiter zuspitzt. So hat im August der „Expertenrat für Klimafragen“ in seinem „Prüfbericht zu den Sofortprogrammen 2022 für den Gebäude- und Verkehrssektor“ die Maßnahmen im Verkehrssektor als völlig unzureichend eingestuft. Das NRW-Klimaschutzgesetz (NRW-KSG) legt eine 65 %ige Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 fest. Das gilt insbesondere für den Verkehrbereich, in dem seit 1990 fast keine CO2-Minderung erreicht wurde. In § 6 Abs.1 des NRW-KSG wird die Landesregierung zu einem Klimaschutzaudit verpflichtet. Die Pläne zum Aus- und Neubau von Fernstraßen können bei einem solchen Audit keinen Bestand haben. Ohne eine konsequente Mobilitätswende, wie sie 2019 auch der Rat der Stadt Bielefeld beschlossen hat, können die Klimaziele nicht erreicht werden.
Wir erinnern an unsere im Januar aufgeworfenen Fragen: Wie sollen die absolut notwendigen Klimaziele erreicht werden, wenn im alltäglichen Handeln von Verwaltung und Politik vor Ort weiter an uralten Planungen festgehalten wird, die zweifelsfrei die CO2-Emissionen erhöhen, statt sie zu senken? Welchen Sinn macht es, an vielen Stellen im Stadtgebiet Maßnahmen zur Reduktion des Autoverkehrs einzuleiten, wenn zugleich mit dem Aus- und Neubau von Fernstraßen dem Autoverkehr der Weg in die Innenstadt
erleichtert wird?
Der Bau der B 61 n und der L 712 n verzögert sich jetzt aufgrund von juristischen Problemen. Für die L 712 n gibt es zwar Baurecht, aber aus unserer Sicht keine Baupflicht.
Bei der B 61 n gibt es noch kein Baurecht. Hier muss nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes der Planfeststellungbeschluss überarbeitet werden. Das Land NRW hat in beiden Fällen die Möglichkeit, sich noch für eine klimagerechte Lösung zu entscheiden. Wir fordern deshalb das Land NRW und die Stadt Bielefeld auf, mit einem Moratorium und der Aufnahme von Gesprächen diese Straßenbauprojekte erneut auf den Prüfstand zu stellen.
Die Fragwürdigkeit der L 712 n als einer Straßenplanung von vorgestern wird besonders bei einem Blick auf die Pläne deutlich. Die Stadt Bielefeld denkt aktuell über eine Änderung oder gar einen Verzicht auf den Ausbau der Herforder Straße nach. Dennoch soll für den
Anschluss der L 712 n an Herforder- und Grafenheider Straße ein dafür völlig überdimensioniertes Kreuzungsbauwerk gebaut werden. In alle vier Fahrtrichtungen sind jeweils zwei Geradeausspuren mit Mittelstreifen sowie bis zu drei Abbiegespuren geplant.
Das ist genau an der Stelle geplant, wo der Johannisbach mit zwei Bachabschnitten die Herforder Straße unterquert. Die ökologisch wertvollen und schützenswerten Auen von Johannisbach und Kerksiekbach würden hier zerstört, beide Bäche müssten sogar in ein neues Bett verlegt werden.
Sehr geehrter Herr Minister, wenn wir den drohenden Klimawandel ernst nehmen, müssen klimaunverträgliche Neu- und Ausbaubauprojekte von Fernstraßen auf den Prüfstand, so wie es die neue Landesregierung laut Koalitionsvertrag ja auch plant..
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, wenn die vom Rat beschlossene Mobilitätswende umgesetzt und der erklärte Klimanotstand ernst genommen werden, muss die Stadt auf weitere autobahnähnliche Straßenprojekte verzichten. Und sie muss unseres Erachtens ihre Möglichkeiten, auf klimaunverträgliche Planungen des Landes einzuwirken, ausschöpfen.
Wir freuen uns als Zivilgesellschaft darauf, zu diesen Projekten mit Ihnen in den Dialog zu treten.
gez. für das Bündnis „Verkehrswende OWL“
Dr. Barbara Burghardt, Dr. Godehard Franzen, Adalbert Niemeyer-Lüllwitz, Roland Tillmann
Hier geht es zu einem weiteren offenen Brief zum Thema L712n sowie den Neubau der Herforder Straße, den das Bündnis Verkehrswende OWL bereits im Januar 2022 an den Oberbürgermeister sowie den Rat der Stadt übergeben hat.