Den Worten müssen Taten folgen – Offener Brief des Klimabündnisses

An den Oberbürgermeister und die Beigeordneten der Stadt Bielefeld und an die Mitglieder des Stadtrats

Klimabündnis Bielefeld fordert mehr Transparenz, mehr Beteiligung, mehr Tempo und mehr Konsequenz bei der Klimapolitik

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Herren Beigeordnete,
sehr geehrte Mitglieder des Stadtrates,

der Klimawandel erlaubt kein Zögern mehr. Die Häufung von Extremwetterereignissen mit Waldbränden und Überschwemmungen ist nur das augenfälligste Indiz. Dahinter steht die dramatische Veränderung vieler Indikatoren wie der Anstieg der Meerestemperatur, eine nie dagewesene Eisschmelze und das Tauen der Permafrostböden. Ohne sofortige und konsequente Maßnahmen werden sich unumkehrbare Veränderungen in den Ökosystemen ergeben, die das Leben für viele Menschen und Arten bedrohen.
Schon jetzt nimmt die Zahl der Todesopfer durch Hitze besonders in den Städten deutlich zu. Täglich verringert sich die Artenvielfalt auch in Bielefeld. In angrenzenden Gemeinden wurde schon in den vergangenen Jahren der Wassernotstand ausgerufen. Ein Veränderungsprozess muss sofort eingeleitet werden, um noch zu retten, was es zu retten gibt. Auf entschlossenes Handeln kommt es jetzt an.

Den Klimanotstand ernst nehmen

Bielefeld hat aus gutem Grund schon im Juli 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Seitdem sind vier Jahre vergangen. Wir – das Klimabündnis Bielefeld, in dem sich fast 30 Organisationen zusammengeschlossen haben – können keine wirklich relevanten Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstosses und zum Schutz der Arten in Bielefeld feststellen. Vielmehr werden folgenreiche Straßenbauprojekte weiter verfolgt, die den CO2-Ausstoß erhöhen und die wenigen geschlossenen Naturauen gefährden. Die Projekte L712n, B 61n Ortsumgehung Ummeln und die Pläne für den vierspurigen Neubau der Herforder Straße müssen gestoppt und auf ihre Klimaverträglichkeit überprüft werden. Es werden weiterhin Gewerbeflächen in wertvollen Wasser- und Naturschutzgebieten geplant und kühlende alte Bäume gefällt.  Wir sind in großer Sorge,  dass dringend erforderliche Maßnahmen zum Klimaschutz in Bielefeld verzögert oder zu spät ergriffen werden und die Akzeptanz bei wichtigen Interessengruppen und einem Teil der Bevölkerung  für die Umsetzung wirksamer Maßnahmen fehlt.

Klimaneutralität bis 2030 als Herausforderung anpacken

Im Mai 2021 hat der Bielefelder Klimabeirat mit breiter Mehrheit eine Empfehlung verabschiedet, das „Handlungsprogramm Klimaschutz“ mit dem Ziel zu überarbeiten, Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen. Der Stadtrat hat die Empfehlung aufgegriffen und die Verwaltung im September 2021 mit der Überarbeitung des Handlungsprogramms beauftragt. Im September 2022 hat der Hauptausschuss auf gemeinsamen Antrag aller Fraktionen mit großer Mehrheit beschlossen, das Zieljahr für Klimaneutralität auf 2030 vorzuziehen.

Nach dem Ratsbeschluss vom September 2021 sollte das überarbeitete Handlungsprogramm noch in 2022 vom Stadtrat verabschiedet werden. Dieses Ziel wird klar verfehlt. Erst im September 2022 wurde die GERTEC GmbH mit der gutachterlichen Erarbeitung eines Entwurfs für das Handlungsprogramm beauftragt. Wann ein Entwurf vorliegen wird, ist unklar.

Nicht nur bei der Konzeptentwicklung, sondern auch bei der Umsetzung bereits beschlossener Maßnahmen müssen wir leider immer wieder Verzögerungen feststellen. Wir nennen beispielhaft die Umsetzung der im März 2019 verabschiedeten Mobilitätsstrategie, des im Juni 2020 geschlossenen Vertrags mit dem Radentscheid und des im Dez. 2021 verabschiedeten Nahverkehrsplans, der für 2022 und 2023 weitreichende Verbesserungen für den ÖPNV festlegte, die aber bisher nicht umgesetzt wurden.

Wir wenden uns an Sie mit der Bitte, unverzüglich Transparenz über die von der Stadt Bielefeld geplanten Maßnahmen zum Umgang mit dem Klimanotstand zu schaffen, einen klaren und verbindlichen Fahrplan festzulegen und Wege einer konsequenten und kontinuierlichen Bürgerbeteiligung offen aufzuzeigen. Dies ist unabdingbar für die öffentliche Akzeptanz.

Transparenz und Bürgerbeteiligung verbessern

Der Beteiligungsprozess für die Erarbeitung des Handlungsprogramms durch die Fa. GERTEC wurde mit einem 1. Bürgerforum am 20. April 2023 eröffnet. Danach gab es eine Online-Beteiligung (bis 15. Juni). Im Mai folgten eine Bildungswerkstatt („Jugendbeteiligung“) und im Juni vier sog. Fokusgruppen. Von beidem sollten die Arbeitsergebnisse veröffentlicht werden. Das ist nach unserer Kenntnis aber nicht geschehen. Nach dem Arbeitsplan sollte es ein 2. Bürgerforum geben. Das hat aber bisher nicht stattgefunden. Einen weiteren Terminfahrplan gibt es im Ratsinformationssystem nicht. Inzwischen scheint der Start für die Umsetzung des Handlungsprogramms weit ins Jahr 2024 verschoben zu sein. Hinsichtlich Transparenz und Bürgerbeteiligung halten wir diesen Ablauf für völlig inakzeptabel.

Akzeptanz ist nur über neue Formen der Bürgerbeteiligung zu erreichen

Ein“ weiter wie bisher“ funktioniert nicht. Scheiterten in der Vergangenheit viele gut gemeinte Maßnahmen am Widerstand einzelner Interessensgruppen oder wurden verzögert und verwässert, so ist dies auch bei der Verabschiedung des Handlungsprogramms und der Umsetzung zukünftiger Maßnahmen zu befürchten.  Bielefeld braucht neue Wege, die Menschen bei diesen einschneidenden Veränderungen zu informieren und mitzunehmen. Klimaschutz mit den dringend notwendigen Transformationsprozessen ist als allererstes ein Kommunikationsprozess. Viele Kommunen haben dies begriffen und versuchen über Konzepte repräsentativer Bürgerbeteiligung, Bürgerinnen und Bürger zu informieren und die Akzeptanz von Verhaltensänderungen für den Klimaschutz zu erreichen. Wir sehen es als einen schweren Fehler an, dass dies in Bielefeld bei der Überarbeitung des Handlungsprogramms und bei der künftigen Umsetzung von Maßnahmen bislang nicht eingeplant wird. Nach unserer Auffassung muss die Bürgerbeteiligung intensiviert und mit neuen Formaten zeitgerecht gestaltet werden, und zwar bevor das Handlungskonzept im Rat verabschiedet wird.

Im 6. IPCC-Bericht von diesem Jahr heißt es in der „Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung“: „Einige künftige Veränderungen sind unvermeidbar und/oder unumkehrbar, können aber durch eine tiefgreifende, rasche und anhaltende Minderung der globalen Treibhausgasemissionen begrenzt werden.“ Deshalb appellieren wir an Sie, auf mehr Transparenz, mehr Beteiligung, mehr Tempo und mehr Konsequenz beim kommunalen Klimaschutz hinzuwirken.

gezeichnet:

Bernadette Bueren
Dr. Angelika Claussen
Petra Schepsmeier
Dr. Thomas von Sehlen

Hier gehts zum Offenen Brief als PDF mit allen Unterstützenden des Briefes

Kommentare sind geschlossen.