Offener Brief an die im Bielefelder Stadtrat vertretenen demokratischen Parteien und Wählergemeinschaften

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Clausen,
sehr geehrte Fraktionsvorsitzende,

Sie wurden im September von den Bielefelder Bürger:innen gewählt, um Verantwortung für unsere Stadt zu übernehmen – dringende Themen gibt es reichlich.
Der Rat hat in seiner Sitzung vom 11.07.2019 den Klimanotstand beschlossen. Am 19.09.2019 erfolgte im Haupt-, Wirtschafts- und Beteiligungsausschuss eine Konkretisierung der Maßnahmen, die seitens der Politik und der Verwaltung unternommen werden sollen. Auch wenn betont wurde, dass es sich nicht um ein verpflichtendes Programm zur Abwendung des Klimanotstands handele, wurde doch zu den Forderungen der Fridays for Future-Bewegung detailliert Stellung genommen.

Eine Säule im Kampf gegen die Klimakatastrophe bildet das Handlungsprogramm Klimaschutz, auf das in der Vorlage Bezug genommen wird. Es wird darauf verwiesen, dass es 2020 einen Zwischenbericht geben soll. Diesen Bericht hat es unserer Kenntnis nach bislang nicht gegeben. Ferner wird prinzipiell anerkannt, dass die Maßnahmen schneller umgesetzt werden müssen. So heißt es dort: „Für eine deutlich schnellere Umsetzung wäre eine Überprüfung der zeitlichen Priorisierung der Maßnahmen notwendig und eine angepasste Planung mit einer Abschätzung der zusätzlich benötigten Ressourcen für eine Umsetzung. Das könnte im Zusammenhang mit der Vorlage des Zwischenberichts geschehen“
Da es den Zwischenbericht nicht gegeben hat, fällt auch diese angekündigte Überprüfung aus. Und die Zeit drängt inzwischen immer mehr. Daher erneuern wir unsere Forderung, den Zwischenbericht noch im Herbst vorzustellen und öffentlich zu diskutieren.

Zusätzlich wurde auch der Klimabeirat auf Antrag von Fridays for Future aktiv:
„In Anbetracht dieser Umstände empfiehlt der Klimabeirat (Sitzung vom 25.05.2021) dem Ausschuss für Umwelt und Klima mit Nachdruck, das im Handlungsprogramm Klimaschutz der Stadt Bielefeld festgehaltene Ziel der Klimaneutralität bis 2050 entsprechend auf 2035 anzupassen. Damit würde nicht nur den ausdrücklichen Empfehlungen der Wissenschaft und den Ambitionen der Staatengemeinschaft nachgekommen, sondern auch den Klimanotstandsforderungen von 2019, zu denen sich die Stadt nach wie vor bekennt“

Hinzu kommt, dass auch die weiteren Klimaschutzktivitäten in Bielefeld starke Zweifel an der Ernsthaftigkeit, zumindest aber ihrer Effektivität aufkommen lassen:
1. Die im Handlungsprogramm Klimaschutz vorgesehenen Maßnahmen bleiben sowohl zeitlich als auch hinsichtlich ihrer erwarteten Wirkung und des Controllings nebulös.
2. Im Unterschied zur nun beschlossenen Nachhaltigkeitsstrategie gibt es keinen Akteur, der für die Steuerung des Gesamtpaketes verantwortlich ist.
3. Die in der Informationsvorlage vom 19.09.2019 (s.o.) genannten Maßnahmen, die zur Umsetzung kommen sollen, sind nicht nur sehr vage und oft mit Vorbehalt benannt. Auch
angekündigte Gutachten, Prüfungen, Erarbeitung von Leitlinien etc. haben bislang nicht stattgefunden, zu keinen Beschlüssen geführt (z. B. Machbarkeitsstudie Verkehrsmanagement, Gutachten Parkraum in der Innenstadt etc.) oder
sind für die BürgerInnen nicht bekannt geworden.
4. Der angekündigte Zeitrahmen der Maßnahmen, auf die positiv verwiesen wird, ist komplett gesprengt worden (z. B. Radverkehrskonzept, Nahverkehrsplan etc.).

Last but not least hat der angekündigte Einbezug der Bielefelder Bevölkerung nicht stattgefunden. Sie, Herr Oberbürgermeister, werden im entsprechenden Protokoll des Ausschusses folgendermaßen wiedergegeben: „Die Vorlage lege noch nichts fest und nehme keine Ergebnisse vorweg, sei aber die Zusage, sich auf den Weg zu machen und transparent alle Betroffenen zu beteiligen.“ Die fehlende Beteiligung ist u. E. auch dafür verantwortlich, dass sowohl die Parteienlandschft als auch die Bielefelder Bevölkerung auf dem Wege ist, sich immer mehr in Lager aufzuspalten. Klimaschutz aber ist die Sache aller Bürger:innen!

Das Klimabündnis fordert vor dem Hintergrund der sich ständig verschlechternden Klimasituation Politik und Verwaltung auf, ihre klimapolitischen Anstrengungen vor allem im Hinblick auf die Erreichung von Zielen schon bis zum Jahr 2035

  • zu überprüfen,
  • neu zu ordnen
  • zu ergänzen und vor allem
  • eine effektive Lenkungsstruktur aufzubauen.

Diese Arbeit sollte umgehend unter größtmöglichem Einbezug der Bielefelder Bevölkerung geschehen. Was 2015 mit dem Zukunftsforum möglich war, kann auch in den Jahren 2021/2022 mit noch effektiveren Mitteln geschehen (z. B. mit Bürger:innenversammlungen).

Wir sind uns bewusst, dass sowohl die Corona-Pandemie als auch die Kommunalwahl viele Ressourcen gebunden haben und z. T. noch binden. Wir wollen aber nicht von Notstand zu Notstand laufen, sondern müssen endlich das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen. Davon sind wir leider weit entfernt.
Daher rufen wir gemeinsam mit Fridays for Future als Sie Vertreter:innen der Bielefelder Zivilgesellschaft und Wirtschaft auf, entschlossen zu handeln und die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen sofort zu ergreifen! Wenn wir noch etwas tun können, dann JETZT!

Wir stehen gern für Gespräche bereit, um die weitere Entwicklung des Klimaschutzes unter Einbindung der Bielefelder Bevölkerung voranzutreiben.
Mit klimafreundlichen Grüßen

Für das Klimabündnis Bielefeld
Dr. Angelika Claußen

Fridays for Future
David Nalimov

Parents for Future
Carsten Lottner

Klimabündnis Bielefeld
Das Klimabündnis Bielefeld ist ein Zusammenschluss von 30 Organisationen und Initiativen. Ziel ist es, die Aktivitäten gegen den Klimawandel und für ökologische und soziale Gerechtigkeit auf lokaler Ebene zu bündeln und die Öffentlichkeit auf Missstände aufmerksam zu machen. www.klimabuendnis-bielefeld.de

Der Brief wurde am 15. August 2021 versendet.

Kommentare sind geschlossen.