Stellungnahme von Verkehrswende OWL zur Herforder Straße

Herforder Straße vom (Mobilitäts-) Ziel her planen und nicht von Prognosen aus

Vom Prinzip her sind sich alle einig. Straßen.NRW, Stadt, Politiker, Bürger: Um Co2 zu reduzieren, müssen Staus und stop-and-go verringert werden. Um Stau zu vermeiden, ist der Verkehrsfluss zu verstetigen. D.h., die Anzahl an Spuren muss angeglichen werden. Die Frage ist nur: In welche Richtung? Vierspurig oder zweispurig?

Straßen.NRW verschärft mit seinem Straßenbauprojekt L712n die Engstellenproblematik und bietet keine Lösungen an. Während Straßen außerorts theoretisch so breit werden können „wie man will“, ist der Platz stadteinwärts begrenzt. Alles, was man durch eine breitere Herforder Straße außerorts erreicht, ist, dass sich die Engstelle stadteinwärts verlagert, wo aufgrund der engen Bebauung und der Sicherung des Schulweges spätestens am geplanten Schulcampus Seidensticker eine Zweispurigkeit gesetzt ist. Irgendwo zwischen Anschlussstelle der L712n und Jahnplatz wird es aufgrund ungleicher Querschnitte Engstellen geben. Im schlimmsten Fall entsteht der Stau dort, wo Menschen nicht so leicht das Verkehrsmittel wechseln können, da P+R nicht vorhanden/ möglich ist.

Daher fordert Verkehrswende OWL die Politik auf:

1. Die Stadt Bielefeld soll die Aufteilung des Straßenraums vom Ziel her planen

Die Stadt Bielefeld hat die Mobilitätsstrategie 2030 und die Realisierung eines Radschnellwegs von Herford durch Bielefeld nach Gütersloh beschlossen. Im beidseitig bebauten Bereich der Herforder Straße ist der Bau von Radwegen nur durch Flächenumverteilung vom KfZ zum Fahrrad möglich. Dort stehen künftig nur noch zwei Spuren für den KfZVerkehr zur Verfügung.

2. Die Stadt Bielefeld soll die Herforder Straße von der engsten Stelle aus planen

Stauvermeidung heißt auf Engstellen zu verzichten. Also durchgängig gleiche Querschnitte zu bauen. Das bedeutet, dass die gesamte Herforder Straße vom Jahnplatz bis zur Milser Straße zweistreifig ausgeführt werden soll. Hoher Verkehrsfluss, da keine Engstelle. Auch an den Kreuzungen wird sich der Verkehr gleichmäßiger verteilen, da sich nicht mehr KfZ auf der Herforder Straße ansammeln können, als in die ebenfalls zumeist zweistreifigen Nebenstraßen abfließen kann. Eine Zweistreifigkeit ist bei 800-1800 KfZ/h möglich. Auf der Herforder Straße sind zwischen 6-22Uhr durchschnittlich ca. 1500 KfZ/h unterwegs.1 Zu Stoßzeiten vorhandene Mehrverkehre werden künftig auf andere Verkehrsmittel umgeleitet. Dies betrifft in erster Linie Pendler.

3. Die Stadt Bielefeld soll die Engstelle strategisch dort platzieren, wo eine Verkehrsverlagerung komfortabel
möglich ist

Die Stadt Bielefeld wird nur eine begrenzte Anzahl an KfZ über die Herforder Straße in die Innenstadt weiterleiten. (Kapazität eines zweistreifigen Umbaus). Die darüberhinausgehenden Verkehre wird die Stadt Bielefeld angemessen und möglichst frühzeitig, also in der Nähe der Anschlussstelle der L712n, umlenken:
Am Bahnhof Brake, an der Stadtbahn-Haltestelle Milse und an der Kreuzung Milser Straße/ Herforder Straße wird P+R ausgebaut (KfZ, Fahrrad). Ein Radschnellweg führt von Herford nach Bielefeld. Die Stadt Bielefeld setzt sich dafür ein, dass das S-Bahnkonzept OWL in Bezug auf den SPNV – Korridor Bielefeld-Brake-Herford vorgezogen und beschleunigt geplant wird.

4. Alternativen sind annähernd gleichwertig

Der Umstieg an dieser Stelle ist sinnvoll. Die Menschen, die heute mit Auto fahren, würden, wenn sie künftig z.B. aufs Fahrrad umsteigen, in ähnlicher Zeit am Ziel ankommen wie heute:
Die Reisezeit ist für Fahrrad und Auto ab Milser Straße/ Herforder Straße Richtung Innenstadt in etwa gleich. (Hinweis: Die Parkplatzsuche ist hier nicht mit eingerechnet. Während man mit dem Fahrrad sehr nah ans Ziel heranfahren kann, muss für das KfZ erst ein zumeist entfernter Stellplatz gefunden werden.) Mit der Stadtbahn braucht man 16 Minuten von Haltestelle Milse bis Rathaus. Vom Bahnhof Brake wäre man in 6 min am Hauptbahnhof Bielefeld bzw. in ebenfalls 16 min am Rathaus.

5. Wer keine Straßen sät, wird keinen Verkehr ernten!

Das in der Volkswirtschaftslehre seit 200 Jahren bekannte Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt auch beim Verkehr:
Wenn das Angebot an schnellen Verbindungen verbessert wird, wächst die Nachfrage. (Induzierter Verkehr). Menschen wenden durchschnittlich seit Jahrhunderten gleich viel Zeit für Mobilität auf. (Wissenschaftliche Erkenntnis)2. Schnelle Verbindungen ergeben eine Zeitersparnis. Aufgrund der Zeitersparnis werden weiter entfernte Ziele angesteuert. Der Einzugsradius vergrößert sich.
Das gleiche gilt aber auch anders herum:
Wenn die Stadt Bielefeld die Herforder Straße nicht durchgängig vierstreifig ausbaut, wird es keine Zeitersparnis geben. Der Einzugsradius vergrößert sich nicht. Die zusätzlichen, prognostizierten ca. 5000 KfZ/ 24h werden nicht kommen! Wird KfZ- Verkehr „langwieriger“, werden Menschen umsteigen oder Wege vermeiden. Dauerhaft im Stau steht keiner. (Wissenschaftliche Erkenntnis)3. Nach dem Umbau wird die Reisezeit bei Fahrrad und ÖPNV in etwa gleich bleiben wie heute. Beim KfZ wird sie sich, sofern niemand umsteigt, verlängern. Der Umstieg vom KfZ hin zur Nahmobilität wird damit attraktiv(er). Ein Dauerstau im Anschlussbereich L712n/ Herforder Straße ist nicht zu befürchten. Baut man neue Straßen, bekommt man mehr Autoverkehr. Baut man neuen Straßen nicht, bleibt es wie es ist. Auch in der Hinsicht trifft die Prognose von Straßen.NRW eine falsche Grundannahme.

6. Die Stadt Bielefeld soll ihre Haltung gegenüber Straßen.NRW kommunizieren

Die Stadt Bielefeld soll sich gegenüber Straßen.NRW klar positionieren: Sie wird nur eine begrenzte Anzahl an KfZ über die Herforder Straße in die Innenstadt weiterleiten. (Kapazität eines zweistreifigen Umbaus). Verkehr, der darüber hinaus in die City geleitet wird, wird auf andere Verkehrsmittel umgelenkt. Es ist also „überflüssig“ ein so großes Kreuzungsbauwerk und noch dazu ohne angemessene Berücksichtigung des Radverkehrs zu erstellen. Es ist überdimensioniert.
Fazit:
Die Herforder Straße wird am Ende den Auto-Verkehr kriegen, für den sie ausgelegt ist. Die Entscheidung, wie viel Autoverkehr die Herforder Straße aufnehmen soll, und ob und wenn ja wo Stau entsteht, liegt in den Händen der Bielefelder Politiker.

gez.
Dr. Barbara Burghardt
Dr. Godehard Franzen
Adalbert Niemeyer-Lüllwitz
Anette Schulte
Thomas Keitel
für „Verkehrswende OWL“

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